Einsamkeit unter Jugendlichen ist ein Gefühl, das oft unsichtbar bleibt – aber umso schmerzlicher wirkt. Trotz vollen Klassenzimmern und digitalen Netzwerken fühlen sich viele junge Menschen ausgegrenzt, übersehen oder innerlich leer. Dieser Blogartikel zeigt, warum Einsamkeit weh tut – und was Schule und Mediation dagegen tun können.
Inhalt
Jona
Jona sitzt in der letzten Reihe. Wie immer. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, der Blick auf das Heft vor ihr gerichtet, das sie seit zehn Minuten nicht mehr umgeblättert hat. Die anderen in der Klasse lachen über einen Witz, den Leon gerade gemacht hat – Jona versteht ihn nicht. Niemand erklärt es ihr. Niemand merkt, dass sie sich ausgeschlossen fühlt.
Früher war das anders. In der Grundschule hatte sie noch einen besten Freund. Sie haben zusammen Pokémon getauscht, waren unzertrennlich. Doch auf der neuen Schule hat dieser Freund schnell Anschluss gefunden – Jona nicht. Und so begannen die Pausen, in denen sie sich in eine Ecke stellte. Die Mittagspausen, in denen sie den Gang entlanglief, damit es nicht so auffiel, dass niemand auf sie wartete.
Einsamkeit tut weh. Sie ist leise, kriecht in den Körper, setzt sich in die Gedanken. Jona beginnt zu glauben, dass sie selbst schuld ist. Dass sie komisch ist. Zu ruhig. Zu uninteressant. Immer wieder überlegt sie, einfach nicht mehr zur Schule zu gehen. Aber was würde das ändern?
Ihre Eltern sagen oft: „Du musst dich mehr bemühen. Geh doch einfach auf die anderen zu.“ Aber wie geht das, wenn man schon so lange das Gefühl hat, nicht dazuzugehören? Wenn man sich beim Reden beobachtet fühlt, jede Bewegung hinterfragt? Wenn das Herz schneller schlägt, nur weil man kurz im Mittelpunkt steht?
Jona flüchtet sich in die Onlinewelt. Zocken, Serien, kurze Chats. Aber auch dort ist sie eine von vielen. Schnell übersehen. Schnell ignoriert. Einsamkeit tut weh. Und manchmal merkt man es erst, wenn sie schon ganz tief sitzt.
In der Schule wird ihre Verschlossenheit inzwischen kommentiert. „Die redet nie.“ – „Die ist eh seltsam.“ – Es sind nur halblaute Sätze, aber sie treffen Jona wie Pfeile. Sie weiß: Jetzt ist sie „die Außenseiterin“. Die Rollen sind verteilt.
Erst als es einen Konflikt in der Klasse gibt – eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Schüler:innen – wird eine Schulmediatorin eingeladen. Sie beobachtet die Gruppe. Spricht in Einzelgesprächen mit vielen aus dem Klasse. Auch mit Jona. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass sie jemand fragt, wie es ihr wirklich geht – und wartet, bis sie antwortet. In diesem Gespräch kommt zum ersten Mal ans Licht, was in Jona vorgeht.
Und plötzlich ist da ein kleiner Lichtstrahl. Eine Idee: Vielleicht bin ich doch nicht ganz allein. Vielleicht gibt es einen Weg zurück in die Gemeinschaft.
Denn ja: Einsamkeit tut weh. Aber sie lässt sich auch „heilen“ – mit Aufmerksamkeit, echter Begegnung und einem Raum, in dem alle gehört werden.
Was ist Einsamkeit?
Jonas Geschichte ist kein Einzelfall. Viele Jugendliche erleben ähnliche Momente – manche für Wochen, andere über Jahre. Doch was genau ist eigentlich Einsamkeit? Und warum tut sie so weh?
Einsamkeit unter Jugendlichen ist mehr als bloßes Alleinsein. Allein zu sein kann auch schön sein – ein Moment für sich, zum Durchatmen, zum Nachdenken. Doch Einsamkeit ist ein Gefühl, das sagt: „Ich gehöre nicht dazu.“ Es ist das schmerzhafte Empfinden, keine echten Verbindungen zu haben – auch wenn man von Menschen umgeben ist.
Jugendliche wie Jonas fühlen sich oft innerlich abgekapselt, unverstanden oder übersehen. Sie haben das Gefühl, dass es keinen Ort gibt, an dem sie so sein können, wie sie wirklich sind. In einer Zeit, in der Zugehörigkeit und Freundschaft so zentral sind wie nie zuvor, tut Einsamkeit besonders weh.
Manche Jugendliche verbergen ihre Einsamkeit gut. Sie lachen, machen mit, liken Beiträge. Aber innerlich fühlt es sich leer an. Andere ziehen sich immer weiter zurück, vermeiden Gespräche, wirken abweisend. Und wieder andere suchen Halt in Gruppen, die ihnen Zugehörigkeit versprechen – selbst wenn diese Gemeinschaft auf Abwertung oder Ausgrenzung anderer basiert.
Einsamkeit tut weh, weil sie an unserem Selbstwert nagt. Sie erzählt uns, dass wir falsch sind, nicht liebenswert, uninteressant. Und je länger sie andauert, desto schwieriger wird es, sich wieder zu öffnen.
In der Schule bleibt Einsamkeit oft unsichtbar. Es gibt keine Note für soziale Verbundenheit. Kein Zeugnis für emotionale Nähe. Und doch beeinflusst Einsamkeit das Lernen, das Verhalten, das Wohlbefinden. Sie ist da – auch wenn niemand sie benennt.
Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Schule mehr ist als ein Ort der Wissensvermittlung. Sie muss ein sozialer Lebensraum sein. Ein Ort, an dem jede*r das Gefühl bekommt: „Ich werde gesehen. Ich bin ein Teil dieser Gemeinschaft.“
Hier können beispielsweise Gesprächskreise oder gute Projekte ein entscheidender Hebel sein. Denn sie schafft genau das: Raum für echte Begegnung, für Zuhören, für gegenseitiges Verstehen. Einen Raum, in dem Einsamkeit nicht verurteilt, sondern ernst genommen wird. Zudem können Freundschaftsbänke der Einsamkeit auf dem Schulhof Abhilfe schaffen.
Denn ja – Einsamkeit tut weh. Aber sie muss nicht das letzte Wort haben.
📊 Infobox: Aktuelle Zahlen zur Einsamkeit bei Jugendlichen
1. Über die Hälfte der jungen Menschen fühlt sich einsam
51 % der jüngeren Erwachsenen in Deutschland sind moderat einsam – davon 12 % sogar stark einsam.
(Quelle: Bertelsmann Stiftung, März 2024)
2. Ein Drittel der Schüler:innen kennen das Gefühl erhöhter Einsamkeit
Etwa 8 % fühlt sich oft einsam. 19 % aller sozial benachteiligten Jugendlichen sind besonders häufig betroffen.
(Quelle: DAK-Präventionsradar 2024)
3. Junge Erwachsene häufiger betroffen als Ältere
14,1 % der 18- bis 29-Jährigen fühlten sich 2021 einsam – deutlich mehr als in älteren Altersgruppen.
(Quelle: BMFSFJ – Einsamkeitsbarometer 2024)
Fazit: Einsamkeit ist keine Randerscheinung, sondern ein ernstzunehmendes Thema – besonders für junge Menschen. Schule und Schulmediation können hier wichtige Schutzfaktoren sein.
Ursachen von Einsamkeit unter Jugendlichen
Es gibt viele Wege in die Einsamkeit – und keinen einzigen, der harmlos ist. Einsamkeit tut weh, weil sie sich oft schleichend entwickelt und selten laut wird. Sie hat viele Gesichter, viele Auslöser – und sie trifft Jugendliche in einer Lebensphase, in der soziale Zugehörigkeit besonders wichtig ist.
Identitätssuche und Selbstzweifel
In der Pubertät beginnt die große Frage: Wer bin ich eigentlich? Jugendliche vergleichen sich ständig – mit Gleichaltrigen, mit Freunden, mit den scheinbar perfekten Menschen auf Instagram und TikTok. Wer da nicht mithalten kann oder will, gerät schnell ins Grübeln.
Wenn andere über Themen sprechen, zu denen man nichts sagen kann – oder will –, entsteht ein Gefühl der Fremdheit. Und genau dort beginnt sie oft: die Einsamkeit, die weh tut.
Soziale Ausgrenzung und Mobbing
Ob bewusst oder unbewusst: Jugendliche schließen andere aus. Mal subtil – durch Blicke, Schweigen, Nicht-Einladen. Mal offen – durch Spott, Gerüchte oder Cybermobbing. Wer einmal in eine Außenseiterrolle gerät, hat es schwer, wieder herauszukommen.
Besonders verletzend wird es, wenn Lehrkräfte oder Erwachsene die Dynamiken nicht wahrnehmen oder unterschätzen. Ein lapidares „Die Kinder regeln das schon“ ist hier fatal. Denn Einsamkeit tut weh – besonders, wenn niemand hinsieht.
Familienkonflikte und emotionale Distanz
Auch zu Hause kann Einsamkeit bei Jugendlichen entstehen. Wenn Jugendliche nicht gehört werden, wenn ihre Gefühle keinen Platz haben oder Konflikte ständig schwelen, suchen sie Halt – oft vergeblich. Manchmal haben Eltern einfach keine Zeit, manchmal fehlen die Worte.
Und so wird auch das Zuhause kein Ort der Verbindung, sondern einer, an dem man sich noch einsamer fühlt als draußen.
Digitale Kommunikation statt echter Nähe
Chats, Snaps, Storys – ständige Erreichbarkeit ersetzt keine echte Nähe. Viele Jugendliche haben hunderte Kontakte, aber niemanden, mit dem sie wirklich sprechen können. Digitale Kommunikation kann Beziehungen stützen – aber auch ersetzen.
Gerade stille, sensible Jugendliche gehen im Lärm des Netzes unter. Einsamkeit tut weh, wenn Likes nicht mehr reichen, um sich wertvoll zu fühlen.
Schule als Ort des Drucks – statt des Miteinanders
Wenn Schule nur als Leistungsort funktioniert, ohne Raum für Beziehung und Begegnung, geraten viele ins Abseits. Wer langsamer lernt, wer sich anders verhält, wer nicht „dazugehört“, wird leicht übersehen.
Dabei wäre gerade Schule ein idealer Ort, um Einsamkeit unter Jugendlichen zu erkennen und ihr entgegenzuwirken – zum Beispiel durch Gesprächsangebote, Beteiligungsformate oder eben packende Projekte.
Denn auch in der Schulmediation, dort, wo Kinder und Jugendliche lernen, Konflikte gemeinsam zu lösen, lernen sie: „Ich bin nicht allein.“ Und manchmal ist das der erste Schritt aus der Einsamkeit heraus.
Einsamkeit tut weh. Aber sie ist kein Schicksal – wenn wir gemeinsam hinschauen.
Auswirkungen von Einsamkeit auf Jugendliche
Einsamkeit tut weh – und dieser Schmerz bleibt nicht folgenlos. Wenn Jugendliche sich dauerhaft einsam fühlen, hinterlässt das Spuren. Manche sind sofort sichtbar, andere zeigen sich erst mit der Zeit – leise, aber tiefgreifend.
Psychische Gesundheit: Traurigkeit, Angst und Selbstzweifel
Jugendliche in dauerhafter Einsamkeit verlieren oft das Vertrauen in sich selbst. Sie fragen sich: Was stimmt nicht mit mir? Warum mag mich niemand? Die Folge: ein wachsendes Gefühl von Wertlosigkeit.
Einsamkeit unter Jugendlichen kann Auslöser oder Verstärker für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder sogar Suizidgedanken sein. Gerade weil sie so still beginnt, wird sie oft erst ernst genommen, wenn es fast zu spät ist.
Einsamkeit tut weh – vor allem, wenn sie mit dem Gefühl einhergeht, dass niemand diesen Schmerz sehen will.
Körperliche Auswirkungen: Wenn der Körper spricht
Auch der Körper leidet unter sozialem Schmerz. Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Kopf- oder Bauchschmerzen – psychosomatische Beschwerden sind keine Seltenheit. Das Nervensystem ist in Alarmbereitschaft. Der Körper sendet Signale, dass etwas nicht stimmt.
Gerade in der Schule wird das oft als „Sensibilität“ oder „fehlende Belastbarkeit“ fehlgedeutet. Dabei zeigt der Körper nur, was die Seele längst fühlt.
Soziale Entwicklung: Rückzug statt Verbindung
Wer lange einsam ist, verliert oft die Fähigkeit – oder den Mut –, auf andere zuzugehen. Gespräche wirken anstrengend, Gruppensituationen bedrohlich. Soziale Fähigkeiten, die in der Jugendzeit eigentlich geübt werden sollen, verkümmern.
Der Rückzug verstärkt die Einsamkeit – ein Teufelskreis. Einsamkeit tut weh, und manchmal fühlt sie sich irgendwann sogar sicherer an als neue Enttäuschungen.
Schulische Auswirkungen: Kein Lernen ohne Beziehung
Lernen ist ein sozialer Prozess. Wer sich in der Klasse nicht zugehörig fühlt, hat es schwer, sich zu konzentrieren oder sich aktiv einzubringen. Viele einsame Jugendliche zeigen stillen Rückzug – sie fallen nicht durch Störung auf, sondern durch Unsichtbarkeit.
Sie sprechen nicht, sie melden sich nicht, sie lassen sich treiben. Und oft werden sie genau deshalb übersehen.
Erst wenn Jugendliche lernen, in einem sicheren Rahmen zu sprechen, zuzuhören und sich mitzuteilen, kann das schulisches Selbstvertrauen stärken. Konflikte, die sonst schweigend ausgetragen werden, kommen zur Sprache – und damit auch die Geschichten hinter der Einsamkeit. Auch hier wird wieder die wichtige Rolle der Schulmediation sichtbar.
Denn ja, Einsamkeit unter Jugendlichen tut weh. Aber sie kann gelindert werden – durch Zuhören, durch Beziehung, durch echtes Interesse.
Was Jugendliche brauchen – Gegenmittel zur Einsamkeit
Jugendliche brauchen kein Mitleid – sie brauchen echte Beziehungen, Verlässlichkeit und Räume, in denen sie sich als wertvoll erleben können. Was hilft also konkret?
1. Gesehen und gehört werden
Jugendliche wollen wahrgenommen werden – mit allem, was sie sind: ihren Stärken, Zweifeln, Unsicherheiten, Träumen. Wenn niemand fragt, wie es ihnen geht, entsteht das Gefühl: Ich bin egal.
Ein echtes Gespräch kann ein Wendepunkt sein. Nicht das oberflächliche „Na, alles gut?“, sondern echtes Interesse: „Wie geht’s dir wirklich? Ich hab dich in letzter Zeit ruhig erlebt.“
Einsamkeit tut weh, wenn man das Gefühl hat, dass niemand den Unterschied merkt zwischen einem echten Lächeln und einem gespielten.
2. Beziehungen auf Augenhöhe
Jugendliche brauchen Bindung – nicht Kontrolle. Sie sehnen sich nach Menschen, die ihnen zutrauen, mit dem Leben klarzukommen, aber auch da sind, wenn es schwierig wird.
Solche Beziehungen gibt es nicht nur in der Familie. Auch Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter:innen oder Peers können „sichere Anker“ sein. Oft reicht schon eine Person, die dranbleibt.
3. Räume der Zugehörigkeit
Jugendliche brauchen Orte, an denen sie nicht funktionieren müssen, sondern einfach sein dürfen. Offene Jugendarbeit, AGs, kreative oder sportliche Gruppen, demokratische Beteiligungsformate wie Klassenrat oder Schülervertretung – all das stärkt das Gefühl: Ich zähle hier. Ich darf mitgestalten.
Auch Schulmediation kann ein solcher Raum sein – besonders Peer-Mediation. Wenn Jugendliche Konflikte untereinander begleiten, entsteht eine Kultur des Miteinanders. Die Botschaft: Du bist nicht allein mit deinem Problem.
Einsamkeit tut weh. Aber dort, wo echte Begegnung stattfindet, verblasst sie.
4. Worte finden – auch für schwere Gefühle
Viele Jugendliche wissen nicht, wie sie Einsamkeit beschreiben sollen. Oder sie trauen sich nicht. Schule sollte ein Ort sein, an dem über Gefühle gesprochen werden darf – ohne Pathologisierung, ohne Abwertung.
Methoden wie Gefühlsbarometer, Erzählrunden, Reflexionsgespräche oder auch kreative Ausdrucksformen (Theater, Schreiben, Malen) können helfen, Worte zu finden. Schulmediation bietet hier eine wichtige Brücke: Sie schafft einen sicheren Rahmen für genau diese Gespräche.
5. Stärkung durch Gemeinschaftserlebnisse
Gemeinsame Projekte, Klassenfahrten, Rituale – alles, was das „Wir“ stärkt, wirkt Einsamkeit entgegen. Besonders wichtig: Diese Erlebnisse müssen inklusiv gestaltet sein. Nicht die immer Gleichen sollen glänzen, sondern auch die Stillen eine Rolle spielen dürfen.
ÜBRIGENS:
Immer mehr Jugendliche schließen aus Einsamkeit digitale Freundschaften – mit einer Künstlichen Intelligenz. Sie chatten mit programmierten Gesprächspartner:innen, die immer verfügbar sind, nie urteilen und auf jede Stimmungslage reagieren. Was als harmlose Unterhaltung beginnt, entwickelt sich mitunter zu einer intensiven, fast beziehungsähnlichen Bindung. Für manche wirkt die KI wie ein sicherer Hafen in einer Welt, in der sie sich unverstanden oder allein fühlen. Doch diese scheinbare Nähe birgt Risiken: Echte zwischenmenschliche Beziehungen geraten aus dem Blick – und langfristig kann sich die soziale Isolation sogar verstärken.
Was Erwachsene tun können
Manchmal merken Erwachsene gar nicht, wie einsam ein Jugendlicher ist. Der Rückzug wird mit Pubertät erklärt, die Stille mit „Launen“. Dabei ist Einsamkeit ein ernstes Gefühl – und kein Stimmungstief, das sich von selbst wieder legt.
Einsamkeit tut weh, und sie verschwindet nicht, indem man sie ignoriert. Doch Erwachsene können viel tun, um Jugendliche zu stärken – ohne aufdringlich zu sein.
1. Wahrnehmen statt bewerten
Wer einsame Jugendliche wahrnimmt, ohne sie sofort verändern zu wollen, schenkt ihnen das Gefühl: Ich bin in Ordnung, wie ich bin.
Vermeide gut gemeinte Sprüche wie: „Du musst halt offener sein.“ oder „So schlimm ist das doch gar nicht.“ – sie wirken wie Abwertung. Stattdessen: „Ich sehe, dass du dich oft zurückziehst. Willst du mir erzählen, was los ist?“
Manchmal reicht ein Satz wie dieser, um eine Mauer zum Bröckeln zu bringen.
2. Dranbleiben – auch wenn’s still bleibt
Einsamkeit unter Jugendlichen macht stumm. Viele Jugendliche wissen gar nicht, wie sie beginnen sollen zu sprechen. Bleib trotzdem da. Frag wieder. Biete deine Präsenz an – nicht aufdringlich, sondern verlässlich.
Ein stiller Kaffee am Küchentisch. Ein Spaziergang ohne Zwang zum Reden. Ein beiläufiges „Ich bin da, wenn du reden willst.“
Einsamkeit tut weh, aber sie braucht nicht sofort Lösungen – sie braucht Verbindung.
3. Schulräume gestalten, die Beziehung ermöglichen
Lehrkräfte und pädagogisches Personal können aktiv Strukturen schaffen, die Einsamkeit vorbeugen:
Partner*innenwechsel bei Gruppenarbeiten
Sitzkreise, in denen jede*r zu Wort kommt
Soziale Projekte, in denen alle gebraucht werden
Feedbackrunden, in denen auch persönliche Themen Platz haben
Wenn Schule nicht nur Leistung, sondern auch Beziehung vermittelt, entsteht ein Raum, in dem Einsamkeit weniger Macht hat.
4. Mediation als Chance für Beziehung und Teilhabe
Mediation kann ein Schlüssel sein – nicht nur zur Konfliktklärung, sondern zur Beziehungsstärkung.
Wenn Jugendliche in der Mediation erleben, dass ihnen zugehört wird, dass ihre Sicht zählt und dass Konflikte lösbar sind, entsteht Vertrauen.
Peer-Mediation geht noch einen Schritt weiter: Sie vermittelt Jugendlichen, dass sie selbst etwas bewirken können – nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst.
Einsamkeit tut weh. Aber Mediation kann Räume schaffen, in denen dieses Gefühl ausgesprochen werden darf – und gehört wird.
5. Unterstützung ermöglichen
Nicht alles kann im Alltag gelöst werden. Manchmal brauchen Jugendliche professionelle Hilfe – und Erwachsene, die diesen Schritt ermutigen. Schulsozialarbeit, Beratungsstellen, Therapeut*innen – all das sind wertvolle Ressourcen.
Zeige, dass Hilfe kein Zeichen von Schwäche ist, sondern von Stärke. Denn den eigenen Schmerz anzunehmen und sich unterstützen zu lassen, ist ein mutiger Schritt.
Fazit: Einsamkeit erkennen und ernst nehmen
Einsamkeit ist kein leiser Spleen, keine harmlose Phase. Sie ist ein tiefgreifendes Gefühl, das junge Menschen prägt – ihr Selbstbild, ihre Beziehungen, ihre Zukunft.
Und oft bleibt sie lange unbemerkt, weil sie sich tarnt: als Müdigkeit, als Schweigen, als Desinteresse.
Doch wer genau hinsieht, wer hinhört, wer präsent bleibt, kann sie erkennen. Und wer Räume schafft für Begegnung, für echte Gespräche, für Gemeinschaft – der kann sie lindern.
Jonas ist nicht mehr so einsam wie früher. Es war kein großes Wunder, sondern ein kleiner Moment, der alles verändert hat: eine Schulmediatorin, die nicht nur seine Worte hörte, sondern auch das, was dazwischen lag. Ein Lehrer, der ihn einmal explizit gefragt hat, ob er mitmachen möchte – und nicht einfach zur nächsten Person überging. Ein anderer Schüler, der nach der Mediation zu ihm sagte: „Ich dachte immer, du willst gar keinen Kontakt.“
Solche Sätze öffnen Türen.
Einsamkeit tut weh. Aber sie ist nicht unausweichlich. Sie lässt sich überwinden – mit Beziehung, mit Aufmerksamkeit, mit Mut zur Nähe.
Schule kann ein Ort sein, an dem Jugendliche nicht nur lernen, sondern auch dazugehören. Ein Ort, an dem Konflikte nicht trennen, sondern verbinden. Ein Ort, an dem Mediation mehr ist als Problemlösung – nämlich ein Werkzeug für Menschlichkeit.
Lasst uns genau solche Orte gestalten. Für Jonas. Und für alle, die sich gerade nicht trauen zu sagen: „Ich fühle mich allein.“
💚 Ich engagiere mich für Verbindungen im Schulkontext und gegen Einsamkeit.
🍀Du auch?
Fragt Christa Schäfer



6 Antworten
Ich finde deinen Text wirklich gut. Er setzt genau da an, wo viele Jugendliche in ihrer Pubertät Probleme mit haben. Ich habe mich zumindest in diesem Text wieder gefunden. Ich gehörte damals zwar schon irgendwo dazu, hatte mein Freunde, aber irgendwie auch wieder nicht. So wirklich verstanden, habe ich mich oft auch bei denen nicht gefühlt. Bei mir kam damals die Wende, als ich von der Realschule zum Abitur gewechselt bin und dort in eine Klasse kam, wo ich mich mit Schülern auf Augenhöhe gefühlt habe. Vorher war ein ständiges Mobbing, ob offensichtlich oder nur hinten rum, keine wahren Freundschaften, alles nur oberflächlich. In dieser Zeit habe ich mich auch oft Einsam gefühlt und mit komischen Gedanken herum geschlagen. Habe ebenfalls Freundschaften im Netz gesucht. Ab der 11. Klasse kam die Wendung und darüber bin ich glücklich. Allerdings hat mich die Zeit davor stark geprägt und ich denke, so sehr ich auch versuche darüber hinweg zu kommen und drüber zu stehen, so richtig wird es nie klappen.
Hallo Mesalunita, vielen, vielen Dank für deinen Kommentar. Deine Worte haben mich tief berührt, und ich hatte einen Kloß im Hals. Und ein Kribbeln, denn ich dachte: Da spricht jemand etwas aus, hinter dem viel Leid steckt.
Du beschreibst etwas, das so viele Jugendliche erleben – dieses merkwürdige Dazwischen: Man gehört irgendwie dazu, aber innerlich bleibt man allein. Man lacht mit, ist dabei, und doch fühlt es sich nicht nach Nähe an. Und wenn dann noch Mobbing dazukommt – ob laut oder leise –, hinterlässt das Spuren, die man ein Leben lang mitnimmt.
Ich finde es super, dass du den Wandel beschreibst, der mit der neuen Klasse kam. Dass da endlich echte Begegnung auf Augenhöhe möglich war. Das macht Hoffnung – für andere und auch für die eigene innere Geschichte. Und gleichzeitig: Ja, manche Erlebnisse prägen so tief, dass sie nie ganz verschwinden. Aber sie machen auch empfindsam für andere. Vielleicht ist genau dieses Mitfühlen eine Form von Stärke, die du heute weitergeben kannst.
Danke, dass du so mutig, offen und stark geschrieben hast. Du zeigst: Einsamkeit tut weh – aber geteilt wird sie ein Stück leichter. 🧡
Liebe Christa, danke für ein ausserordentliches wichtiges Thema.Auch ich beobachte an meiner Schule dieses Problem.Es lohnt sich einfach sehr, sich hier – gerade in der Mediation intensiv einzubringen. Du hast die Probleme, die zur Einsamkeit führen, schon sehr treffend benannt.Ein echter Teufelskreis!!.Schulmediation soll einfach mehr sein als Konfliktlösung.Hinsehen, Erkennen u.Zuhören kann vieles im Keim ersticken.Ich fühle mich auch hinsichtlich dieses Problems wieder bestärkt in meinem.Engagement als Schulmediatorin.Ich werde „dranbleiben“.nochmal kurz in eigener Sache: das gewonnene Buch über Mediation beim Schulmediationskongress im Januar ist bei leider immer noch nicht angekommen – schade –
Liebe Ingrid,
ich danke dir für deinen engagierten und aufrichtigen Kommentar! Wie es scheint, erlebst du das Thema aus deinem Schulmediationsalltag genauso wie ich. Und wie schön, dass du dich in deinem Tun als Schulmediatorin bestärkt fühlst bei diesem Thema dranzubleiben. Ja, Einsamkeit ist wirklich ein Teufelskreis, wie du so treffend schreibst – und genau deshalb brauchen wir Menschen wie dich, die hinschauen und engagiert bleiben. Ich teile voll und ganz deinen Gedanken: Schulmediation ist so viel mehr als Konfliktlösung. Sie ist ein Raum für echtes Zuhören, für Beziehung und für das Gefühl: Du bist nicht allein. Das ist so wertvoll – für jede einzelne Schülerin und jeden Schüler.
Und zur Zeitschrift, die du gewonnen hast – oh je, das tut mir wirklich leid zu hören! Die Gewinne sind allesamt ich glaube im Februar per Post versandt worden. Ich sprach gleich heute mit dem Verlag und dem Steinbeis-Verband und sie werden dir nochmals eine der spannenden Zeitschrift zusenden. Ich hoffe, sie findet nun den Weg zu dir und kommt sicher an.
Mit herzlichen Grüßen von Christa
Ich freue mich über unsere Verbindung