Eltern-Jugendlichen Mediation

Mutter und Sohn gut gelaunt

Die Eltern-Jugendlichen Mediation – oder auch:
Wie du mit wenigen Gesprächen verhärtete Eltern-Jugendlichen-Konflikte auflöst

Reden wir über die wichtigen Dinge: Was passiert, wenn Jugendliche nicht mehr sprechen – und Eltern umso lauter werden? Wenn Türen knallen, Gespräche abbrechen, Grenzen verschwimmen und alle nur noch genervt sind? Genau hier setzt Eltern-Jugendlichen-Mediation an.

Diese besondere Form der Mediation ist kein „familientherapeutisches Allheilmittel“, sondern ein klar strukturierter, kurzfristiger Weg, um eingefahrene Muster aufzubrechen – und das Gespräch auf Augenhöhe wieder möglich zu machen.

Eltern und Jugendliche können durch die Mediation ihre Konflikte klären und Hinweise mitnehmen, wie eine gut Kommunikation funktioniert. Pädagog:innen, die mit Jugendlichen arbeiten, sowie Mediator:innen, die sich mit familiären Konflikten beschäftigen, können diesen Mediationsbereich gut in ihrer Praxis anwenden. Denn: Eltern-Jugendlichen-Mediation funktioniert wunderbar. 💚🍀

Inhalt

Was ist Eltern-Jugendlichen-Mediation?

Die Eltern-Jugendlichen-Mediation ist eine besondere Form der Konfliktklärung. Sie setzt genau da an, wo viele Gespräche zwischen Eltern und ihren jugendlichen Kindern feststecken: Zwischen Vorwürfen, Schweigen und der ständigen Frage: „Warum hört und versteht mich hier eigentlich niemand?“ Sie ist ein Unterbereich der Familienmediation. Ist es gut darüber einen Blogartikel zu schreiben? Auf jeden Fall. Muss ich etwas über diesen Mediationsbereich wissen, wenn ich hier mediieren will? Gut wäre es auf jeden Fall, sich vorher über bestimmte Besonderheiten in diesem Bereich der Mediation zu informieren. Also, los geht:

Was Eltern-Jugendlichen-Mediation nicht ist:

  • Familientherapie
  • ein „mal schön darüber reden“-Abend
  • eine Schuldzuweisung in pädagogisch softer Sprache

Was sie ist:

  • Eine Möglichkeit, Eltern und Jugendliche auf Augenhöhe in den Dialog zu bringen
  • Ein strukturiertes Gesprächsformat, bei dem Jugendliche als eigenständige Gesprächspartner behandelt werden
  • Eine Mediation mit zeitlich klar umrissenem Rahmen – oft im Setting einer Kurzzeitmediation von ein bis maximal zwei Sitzungen

Besonders wichtig ist die Haltung, mit der Mediator:innen und Pädagog:innen in diesen Prozess hinein gehen. Denn Jugendliche merken sofort, wenn man sie „bearbeiten“ will. Vertrauen entsteht nicht durch gute Rhetorik, sondern durch echte Präsenz.

Welche Themen stehen im Mittelpunkt?

Viele denken bei Familienkonflikten zuerst an „Erziehung“ oder „Grenzen“. Doch bei der Eltern-Jugendlichen-Mediation sind die Themen viel konkreter – und zugleich tiefgründiger. Hier eine Auswahl von Themen, die in der Praxis immer wieder auftauchen:

  • Streit um Bildschirmzeit, Handy oder Social Media / Kontrolle vs. Selbstbestimmung
  • Schulverweigerung oder schlechte Noten / Überforderung, Versagensängste
  • Fehlendes Vertrauen / Angst vor Enttäuschung, Kontrollverlust
  • Lügen oder heimliches Verhalten / Bedürfnis nach Freiheit und Selbstständigkeit
  • Konflikte bei Patchwork-Konstellationen / Loyalität, neue Rollen, Unsicherheit
  • Rückzug, Schweigen, „Dichtmachen“ / Schutzmechanismus statt Rebellion

Viele Eltern sind überfordert. Viele Jugendliche fühlen sich nicht ernst genommen. Die Mediation hilft, die Bedürfnisse hinter dem Verhalten zu sehen – und Worte für das zu finden, was bisher unausgesprochen blieb.

Bei Eltern-Jugendlichen Mediation die Kurzzeitmediation nutzen

Meist freuen sich Jugendliche nicht sonderlich zur Mediation mitzukommen, aber sie kommen. Sie wollen allerdings auch, dass die Medition nicht so ewig dauert sondern schnell Ergebnisse bringt. Deshalb ist das Format der Kurzzeitmediation für die Eltern-Jugendlichen Mediation ein großartiges Format. Sie setzt auf eine hohe Kommunikationsdichte in kurzer Zeit, denn nicht alles soll und muss ganz ausführlich ausdiskutiert werden.

Die Kurzzeitmediation ist ein zeitlich straffes Verfahren. Es folgt den klassischen Phasen der Mediation

  1. Einführung und Sichere Rahmen
  2. Konfliktdarstellung (Darstellung der Positionen)
  3. Konflikterhellung (Erarbeitung von Gefühlen und Interessen hinter den Positionen)
  4. Lösungssuche, Verhandlung und Vereinbarung

Der Mediator bzw. die Mediatorin entwickelt anhand der vorab erhaltenen Informationen einen individuellen Zeitplan, der sich am zur Verfügung stehenden Zeitfenster orientiert, häufig etwa drei Stunden. Innerhalb dieser Zeit wird eine Pause eingeplant, und es gibt eine Joker-Zeit als flexiblen Puffer. So gelingt es, auch in kurzer Zeit tragfähige Lösungen zu erarbeiten und den Beteiligten eine klare, strukturierte Klärung zu ermöglichen.

Es kann sein, dass bei einer Kurzzeitmediation nicht alles ausdiskutiert wird. Und das ist auch in Ordnung so. Viele Jugendlichen wollen nicht alles vor ihren Eltern „auspacken“. Und viele Eltern wollen ihren jugendlichen Kindern auch nicht unbedingt den vollen Einblick in ihre Gedanken zur Erziehung geben, das ist auch in Ordnung. Beide sind meist mit einer pragmatischen Lösung einverstanden und halten sich in der Folgezeit der Mediation auch daran, um den Familienzusammenleben zu „retten“.

Die Kurzzeitmediaton hat drei Vorteile

  1. Jugendliche bleiben eher dabei, wenn sie wissen: Das ist kein Endlos-Talk.
  2. Eltern kommen schneller zur Sache, weil der Zeitrahmen straff ist.
  3. Der Prozess verlangt von allen Beteiligten, konkret und ehrlich und auf den Punkt zu kommunizieren.

Typisch ist ein Setting mit einer Sitzung à 3 Stunden. Oft reicht das schon, um entscheidende Knoten zu lösen oder zumindest neue Gesprächswege zu öffnen. In den nächsten zwei Kapitel schauen wir uns an, was Mediator:innen in der Arbeit mit Jugendlichen und im Umgang mit den Eltern unbedingt beachten sollten. Denn eins ist klar: Wenn du Jugendliche erreichen willst, reicht es nicht, nett zu fragen. Und natürlich ist es nicht gut, mit den Eltern in eine Allianz zu gehen. Dennoch, du brauchst Haltung, Timing und vor allem: Authentizität.

Was Mediator:innen in der Arbeit mit Jugendlichen beachten sollten

Eins vorweg: Jugendliche sind kein „besonderer Fall“, sondern Gesprächspartner mit eigenen Regeln. Wer sich auf sie einlässt, bekommt mehr Ehrlichkeit, Direktheit und Klarheit, als in jeder Business-Mediation. Aber nur, wenn man die Haltung mitbringt, die Jugendliche ernst nimmt und nicht pädagogisch überhöht oder therapeutisch zerredet.

1. Vertrauen entsteht nicht durch Taktik – sondern durch Haltung

Jugendliche riechen es zehn Meter gegen den Wind, wenn du eine Technik auf sie anwendest. Was du sagst, ist weniger wichtig als wie du es sagst – und ob du es wirklich meinst. Ein ehrliches „Ich habe keine Ahnung, wie du das gerade erlebst – magst du’s mir erzählen?“ wirkt Wunder. Ein wohlmeinendes „Ich kann deine Gefühle total nachvollziehen“ kann dagegen völlig unglaubwürdig wirken.

Tipp: Sprich lieber klar und direkt – nicht künstlich „jugendlich“, aber auch nicht über-kompetent. Sei echt. Das reicht völlig.

2. Authentizität schlägt Kompetenz

In der Arbeit mit Jugendlichen zählt nicht, wie viele Mediationsausbildungen du hast. Was zählt, ist: Hörst du wirklich zu? Redest du mit ihnen – oder über sie? Traust du ihnen zu, sich zu äußern? Wenn Jugendliche spüren, dass sie nicht bewertet oder analysiert, sondern gesehen und gehört werden, fangen sie an zu sprechen. Oft leise, zögerlich, aber echt.

Ein Satz, der wirkt: „Ich bin hier nicht, um dich zu verändern. Ich bin hier, weil ich glaube, dass du was zu sagen hast.“

3. Klarheit im Setting – Sicherheit durch Struktur

Ein gutes Setting gibt Jugendlichen Sicherheit. Und zwar ohne Druck. Erkläre zu Beginn ganz klar: Wie lange das Gespräch dauert. Wer wann spricht. Dass niemand gezwungen wird, etwas zu sagen. Dass alles Gesagte vertraulich bleibt (je nach Kontext mit realistischen Grenzen).

Wichtig: Keine Überraschungen. Kein „Mal sehen, was heute passiert“. Jugendliche brauchen Struktur, um sich einzulassen. Sie sind mutig – aber nur, wenn der Rahmen stimmt.

4. Humor kann Brücken bauen – aber kein Vertrauen ersetzen

Ein lockerer Spruch zur richtigen Zeit kann helfen, die Spannung zu lösen. Aber: Jugendliche sind schnell bei „Der macht sich über mich lustig“.

Regel: Wenn du lachst – dann natürlich nie über jemanden, sondern nur mit ihm. Und immer auf Augenhöhe.

Warum die Elternrolle in der Mediation so komplex ist

Viele Eltern kommen in die Mediation mit dem Gefühl: „Ich hab doch alles versucht!“ Gleichzeitig tragen sie oft ein schlechtes Gewissen mit sich herum – weil sie oft zu Hause schreien, sich hilflos fühlen oder irgendwann einfach aufgeben. Die Wahrheit ist: Eltern sind keine Profis. Sie sind Menschen in einer verdammt fordernden Rolle – hin- und hergerissen zwischen Verantwortung, Ohnmacht und dem Wunsch, alles richtig zu machen.

1. Zwischen Kontrolle und Loslassen: Das Dilemma der Eltern

Wenn Kinder klein sind, bestimmen (oft) die Eltern. Wenn sie dann Jugendliche sind, wollen sie selbst bestimmen. Und irgendwo dazwischen knallt es – emotional, laut, manchmal auch still und resigniert.In der Mediation zeigt sich dieses Spannungsfeld besonders deutlich:

  • „Wir wollen doch nur, dass er/sie es mal zu etwas bringt.“
  • „Sie hört ja gar nicht mehr auf uns.“
  • „Wir wissen auch nicht mehr, was richtig ist.“

Viele Eltern schwanken zwischen dem Wunsch, die Kontrolle nicht zu verlieren, und der Angst, ihr Kind zu verlieren. Genau hier hilft die Mediation, indem sie das Gespräch aus der Eskalationsspirale holt – raus aus den Vorwürfen, hin zu einem echten Zuhören.

2. Wie du Eltern begleitest, ohne Partei zu ergreifen

Die große Herausforderung: Du darfst die Eltern nicht verteidigen – aber auch nicht bloßstellen. Du musst ihnen Raum geben für ihre Sicht, ohne sie mit der „jugendlichen Wahrheit“ zu konfrontieren. Und du brauchst die Fähigkeit, zwei Wirklichkeiten nebeneinander stehen zu lassen, ohne sofort Lösungen einzufordern.

Was hilft:

  • Empathie zeigen, ohne zu bewerten:
    „Das klingt, als wäre das ziemlich belastend für Sie – und trotzdem sind Sie hier.“
  • Fragen stellen, statt Ratschläge geben:
    „Was würden Sie sich in dieser Situation von Ihrem Kind wünschen – jenseits des Verhaltens?“
  • Rollen entflechten:
    „Gerade sprechen Sie als Vater/Mutter – darf ich kurz fragen, was Sie als Mensch fühlen würden, wenn Sie diese Worte hören würden?“

3. Eltern aus dem Rechtfertigungsmodus herausholen

Viele Eltern kommen in die Mediation mit einem unterschwelligen Gefühl: „Jetzt wird über uns gerichtet.“ Sie fühlen sich unter Beobachtung – von dir, vom Kind, manchmal auch vom Partner oder der Schule. Deine Aufgabe ist es, diesen Druck rauszunehmen. Das geht nicht über Worte, sondern über Haltung.

Was wirkt:

  • Betonung der Gleichwürdigkeit aller Beteiligten
  • Anerkennung der bisherigen Bemühungen:
    „Sie haben schon vieles versucht – das zeigt mir, wie wichtig Ihnen Ihr Kind ist.“
  • Klare Trennung zwischen Verstehen und Einverstanden-Sein

Zwischenfazit: Die Mediation kann Eltern entlasten, wenn sie den Raum bekommen, wieder Mensch sein zu dürfen – nicht nur Erzieher:in, Erklärbär oder Grenzsetzer:in. Und sie kann Jugendlichen zeigen: „Meine Eltern sind auch nur Menschen – und vielleicht fangen wir nochmal neu an.“

Zwei Praxisbeispiele

Eltern-Jugendlichen-Mediation ist oft wie ein Gespräch auf einem Drahtseil: Ein falsches Wort – und einer springt innerlich ab. Ein gelungener Moment – und plötzlich ist Verbindung da. Deshalb brauchen Mediator:innen Werkzeuge, die verbindend wirken, emotionsnah sind – und trotzdem klar im Ablauf sind.

Praxisbeispiel 1

Er schwänzt die Schule – und redet nicht mehr mit uns“

Ausgangslage: Ein 16-Jähriger bleibt der Schule fern. Die Eltern sind verzweifelt. Alle Versuche, mit ihm zu sprechen, scheitern. Der Vorwurf: „Er blockt alles ab.“

Start mit Bildkarten: Der Jugendliche wählt ein Bild mit verschlossener Tür – „So fühlt es sich an.“

Die Eltern erzählen ihre Sicht, der Jugendliche hört zu, ohne zu kommentieren. Anschließend geht der Sohn ein wenig aus sich heraus und berichtet über seine Situation in der Schule (Start von Mobbing).

Dann die Skalierung: „Wie viel Vertrauen habt ihr zueinander (0–10)?“ – der Vater sagt 3, der Sohn 2.

Über den Stuhltausch spricht der Jugendliche als „sein Vater“: „Ich weiß nicht, was ich machen soll – ich hab Angst, dass du dir alles verbaust.“

Das Gespräch endet mit einer konkreten Vereinbarung: Die Eltern hören auf, den Sohn täglich zu kontrollieren, der Jugendliche sagt jeden Freitag, wie die Woche gelaufen ist – ehrlich. Es wird ein Gespräch mit der Klassenlehrerin geben. Eventuell soll ein Therapeut zu Rate gezogen werden. Der Sohn nimmt sich vor wieder regelmäßig zur Schule zu gehen. Er strebt einen Ferienjob an, der ihn aufmuntern soll und ihm schon den Weg in eine Ausbildung ebnen kann.

Ergebnis: Hier wurden viele Lösungsoptionen genannt, und es bahnte sich eine neue Gesprächsbasis an. Und: Der Jugendliche kam freiwillig und optimistisch zur zweiten Sitzung.

Praxisbeispiel 2

„Sie hängt nur am Handy – wir haben keinen Zugang mehr“

Einstieg mit der Frage: „Was müsste passieren, damit ihr sagt: Das Gespräch hat sich gelohnt?“ Jugendliche nennt: „Wenn ihr mal zuhört, ohne mir gleich was zu befehlen.“

„Ich höre … Und ich wünsche …“-Runde. Die Mutter sagt „Ich höre: Du willst deine Ruhe. Und ich wünsche mir, dass du wieder mit uns redest.“

Ausgangslage: Die 15-Jährige Tochter ist gefühlt „ständig online“. Die Eltern sind frustriert: „Wir reden gegen eine Wand.“

Ressourcenblick: Die Tochter erinnert sich an eine Nachtwanderung, bei der „wir einfach Spaß hatten“.

Ergebnis: Die Eltern erhielten Einblick in die online Aktivitäten der Tochter. Es gab die Verabredung für tägliche handyfreie Abendessen. Andererseits sind die Eltern ihrer Tochter entgegen gekommen, und diese darf ihr Handy behalten. Es wurden Handyzeiten eingeführt und Regeln vereinbart.

Gute Vorbereitung auf eine Eltern-Jugendlichen Mediation

Eine gute Eltern-Jugendlichen-Mediation beginnt nicht mit der Begrüßung, sondern mit der Frage: „Was brauche ich, um den Raum so zu gestalten, dass echte Begegnung möglich wird?“ Gerade weil diese Mediation emotional aufgeladen sein kann, ist eine klare Vorbereitung Gold wert – für dich als Mediator:in, aber auch für die Beteiligten.

1. Das Setting – der Rahmen entscheidet mit

Die äußeren Bedingungen haben starken Einfluss auf den Verlauf des Gesprächs.

Darauf solltest du achten:

  • Ort: Neutral, ruhig, keine institutionelle „Ladungs-Atmosphäre“. Ein freundlicher Raum schafft Sicherheit.
  • Dauer: Plane feste Zeiten ein. Lieber ein klarer Zeitrahmen als ein „mal schauen, wie lange es dauert“.
  • Teilnehmer: Meist 1 Jugendlicher + beide Elternteile. Bei getrennt lebenden Eltern: gut absprechen, wer kommt – und ob getrennte Settings sinnvoller sind.
  • Sitzordnung: Kein Gegenüber an einem Konferenztisch. Besser: kleine Runde, gleiche Augenhöhe, eventuell Bildkarten oder Moderationsmaterial bereit.

2. Einladung: Sprache, die Türen öffnet

Wie du die Beteiligten einlädst, entscheidet oft schon über ihre innere Haltung.

Vermeide:

  • „Wir wollen über eure Konflikte sprechen.“
  • „Es geht darum, dass ihr euch besser versteht.“

Besser:

  • „Es geht um ein Gespräch, bei dem alle zu Wort kommen – auch die Themen, die sonst zu kurz kommen.“
  • „Du musst nichts sagen – aber du darfst. Und was du sagst, zählt.“

Tipp: Jugendliche reagieren besser auf eine persönliche, direkte Einladung (z. B. in einem Einzelgespräch vorher) als auf offizielle Schreiben.

Typische Herausforderungen im Mediationsprozess

Eltern-Jugendlichen-Mediation klingt in der Theorie rund und lösungsorientiert. In der Praxis ist sie manchmal holprig, chaotisch und unberechenbar. Und das ist völlig normal. Denn da sitzen Menschen, die sich gut kennen – und sich gerade trotzdem nicht kommunikativ erreichen.

Wer in diesem Spannungsfeld vermittelt, braucht nicht nur Methoden – sondern auch innere Ruhe, Geduld und die Fähigkeit, das Chaos auszuhalten, ohne es sofort ordnen zu wollen.

1. Wenn Jugendliche schweigen oder provozieren

Ein Klassiker: Der Jugendliche sitzt da, verschränkt die Arme und sagt gar nichts. Oder er knallt einen provokativen Satz raus – „Ist mir doch egal, was die denken!“

Was du nicht tun solltest:

  • Druck machen („Du musst schon was sagen…“)
  • Belehren („So kommst du nicht weiter…“)
  • Beschwichtigen („Deine Eltern meinen es doch nur gut…“)

Was du stattdessen tun kannst:

  • Stille aushalten – sie wirkt oft stärker als jede Frage
  • Eine Einladung formulieren, ohne Zwang: „Es passt auch für mich, an dieser Stelle eine Pause zu machen. Danach kann ich wieder gut zuhören, und ich freue mich auf deine Sichtweise.“
  • Metakommunikation nutzen: „Ich merke, dass du gerade keinen Bock auf das Gespräch hast. Und trotzdem bist du hier. Das finde ich super.“

2. Wenn Eltern blockieren oder sich rechtfertigen

Nicht selten geschieht das Gegenteil: Die Eltern reden und reden – und der Jugendliche zieht sich innerlich zurück. Oder sie rechtfertigen sich: „Wir machen doch alles für dich!“ – „Früher ging das auch ohne Diskussion!“

Was tun?

  • Kurze Interventionen, keine langen Erklärungen: „Darf ich kurz stoppen? Ich habe das Gefühl, gerade redet ihr viel über euer Kind – aber nicht mit ihm.“
  • Fragen, die Verantwortung statt Schuld in den Fokus rücken: „Was würden Sie tun, wenn Sie sicher wären, dass Sie nichts falsch gemacht haben?“

Ziel: Die Eltern raus aus dem Verteidigungsmodus holen – und rein ins Gespräch auf Augenhöhe.

3. Wenn Emotionen hochkochen

Tränen, Wut, Rückzug – das alles gehört zur Eltern-Jugendlichen-Mediation dazu. Denn dieser Raum berührt tiefe, oft verletzte Beziehungsebenen.

Wichtig:

  • Du musst diese Emotionen nicht „lösen“
  • Du darfst sie nicht wegmoderieren
  • Du solltest sie spiegeln und halten, zum Beispiel: „Ich sehe, wie wütend dich das macht – und ich vermute, dass da auch eine große Enttäuschung dahinter steckt. Stimmt das?“ Manchmal reicht dieser Satz, um die Dynamik zu drehen.

4. Grenzen der Mediation erkennen

Nicht jeder Konflikt ist mediativ lösbar. Manche Situationen brauchen andere Formen der Unterstützung – Coaching, Familienhilfe, therapeutische Begleitung.

Hinweise für Grenzen:

  • Ein:e Beteiligte:r verweigert dauerhaft die Kooperation
  • Es besteht Gewalt oder massiver emotionaler Druck
  • Eine Seite versucht, die Mediation als Beweisführung zu nutzen („Dann sieht sie mal, wie unfair das ist…“)

In solchen Fällen gilt klar kommunizieren. Nicht schönreden. Und wenn nötig, verweisen statt weitermachen.

Fazit

Mediation heißt in diesem Bereich nicht, dass alles glatt läuft. Im Gegenteil: Sie darf unperfekt, ehrlich und menschlich sein. Gerade dann wirkt sie am stärksten.

Mediation kann keine perfekten Familien schaffen. Aber sie kann einen Raum öffnen, in dem Lösung wieder möglich ist. Einen Raum, in dem sich Jugendliche gesehen, Eltern gehört und beide Seiten ernst genommen fühlen.

Was du als Mediator:in bewirken kannst: Du kannst keine Konflikte wegmoderieren. Aber du kannst Gespräche ermöglichen, die sonst nie stattfinden würden. Du kannst Brücken bauen – zwischen Welten, die sich sonst oft nur missverstehen. Manchmal ist es nur ein einziger Satz, der etwas in Bewegung bringt. Ein stiller Blick. Eine Frage, die hängen bleibt.

Folgend noch zwei Empfehlungen,
auf jeden Fall aber dir alles Gute
wünscht Christa Schäfer 🌞

Empfehlung: Mein zweitägiges Seminar für Mediator:innen

Wenn du diesen Artikel bis hier gelesen hast, weißt du: Eltern-Jugendlichen-Mediation ist kein nettes Zusatztool – sie ist ein echter Gamechanger, wenn du mit Familien arbeitest. Und manchmal ist der größte Erfolg: Dass Eltern sagen „Ich hab mein Kind heute anders erlebt“ – und Jugendliche denken: „Die haben mir zugehört. Zum ersten Mal richtig.“

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👉🏼 christa.schaefer @ comedu.de

Literatur

Barbara Kulemeier: Eltern-Jugendlichen Mediation, ein effektives Verfahren zur Lösung familiärer Konflikte? Wolfgang Metzner Verlag 2015.

Heiner Krabbe: Eltern-Jugendlichen-Mediation. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 55 (2006) 8, S. 615-624. online einsehbar.

Gedankenanregungen

Manchmal sind schlechte Zeugnisse Thema einer Eltern-Jugendlichen Mediation.

Oder es braucht in einer Eltern-Jugendlichen Mediation eine Entschuldigung, damit alles wieder gut werden kann.

Und manchmal unterstützt die WOOP-Methode dabei, dass Eltern und Jugendliche ihre Ziele alleine oder gemeinsam erreichen.

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4 Antworten

  1. Liebe Christa,
    Danke für diesen klaren und praxisnahen Artikel! Besonders dein Fokus auf Haltung und das bewusste Ernstnehmen der Jugendlichen als Gesprächspartner:innen finde ich sehr wertvoll.
    Ich arbeite selbst mit Eltern und Jugendlichen – viele deiner Gedanken kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Ein schöner Impuls, der nachwirkt!
    VG
    Anja

    1. Hallo Anja,
      Vielen lieben Dank für dein wertschätzendes Feedback – das freut mich sehr! Gerade von jemandem, die selbst mit Eltern und Jugendlichen arbeitet, bedeutet mir das viel. Es ist schön zu hören, dass die Gedanken auch in deiner Praxis andocken – und vielleicht auch weiterwirken. Herzliche Grüße zurück, von Christa 💚🍀

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