Wenn ein Mobbingfall in der Schule bekannt wird, überlegen Pädagog:innen und Schulsozialarbeiter:innen mit welcher Methode sie gegen das Mobbing vorgehen können. Wenn sie sich mit Methoden der Mobbing-Bearbeitung auskennen, stehen sie dann oft vor der Frage: No Blame Approach oder Farsta-Methode: Was ist jetzt besser?
Inhalt
Beide Methoden stammen aus unterschiedlichen pädagogischen Traditionen und verfolgen dasselbe Ziel: Mobbing beenden, ohne den Schaden zu vergrößern. Doch sie unterscheiden sich grundlegend in Haltung, Ablauf und Wirkung.
In diesem Artikel zeige ich dir, worin die Unterschiede liegen, wann welche Methode sinnvoll ist – und warum ich dir am Ende den No Blame Approach empfehle.
Was ist der No Blame Approach?
Der No Blame Approach (auf Deutsch: „Ohne Schuldzuweisung“) wurde von George Robinson und Barbara Maines in den 1990er Jahren in England entwickelt. Er wird heute an vielen Schulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz erfolgreich angewendet.
Sein Prinzip ist so einfach wie wirkungsvoll: Statt Schuldige zu suchen oder zu bestrafen, setzt der Ansatz auf Verantwortung, Empathie und gemeinsames Handeln.
So läuft der No Blame Approach ab:
- Gespräch mit der betroffenen Person:
Die Lehrkraft oder Schulsozialarbeiter:in spricht mit dem betroffenen Kind oder Jugendlichen, um herauszufinden, wie es ihm geht und wer beteiligt ist. Ziel ist nicht, Beweise zu sammeln, sondern zu verstehen, was gebraucht wird, um sich wieder sicher zu fühlen. - Bildung einer Unterstützungsgruppe:
Danach wird eine Gruppe von 6–8 Schüler:innen zusammengerufen – darunter einige, die am Mobbing beteiligt waren, aber auch neutrale und sozial starke Kinder. - Gespräch mit der Gruppe:
Ohne Schuldzuweisung wird das Problem beschrieben: „Lisa fühlt sich in der Klasse nicht wohl, und wir wollen gemeinsam überlegen, was helfen kann.“ Die Gruppe entwickelt Ideen, wie sich die Situation verbessern lässt. - Nachgespräch:
Nach etwa einer Woche wird überprüft, was sich verändert hat und wie es Lisa jetzt geht.
Ein Beispiel aus der Praxis:
In einer 6. Klasse fühlt sich Lisa seit Wochen ausgeschlossen. Einige Mädchen tuscheln, wenn sie vorbeikommt, und in der Pause sitzt sie allein. Die Schulsozialarbeiterin bittet einige Kinder aus der Klasse zu einem Gespräch – auch zwei der Mädchen, die beteiligt sind. Im Gespräch werden keine Schuldigen benannt, sondern gefragt:
„Was könnt ihr tun, damit Lisa sich wieder wohler fühlt?“
Ein Mädchen bietet an, sie am nächsten Tag mit in die Gruppe zu nehmen. Ein anderes will im Sportunterricht auf sie achten. Nach einer Woche berichtet Lisa, dass die Situation deutlich entspannter ist – das Tuscheln hat aufgehört, sie fühlt sich wieder integriert.
Der No Blame Approach wirkt, weil er Verantwortung statt Schuld fördert und Kinder selbst zu Lösungsakteuren macht.
Was ist die Farsta-Methode?
Die Farsta-Methode wurde in den 1980er Jahren im Stadtteil Farsta in Stockholm entwickelt. Sie setzt stärker auf Konfrontation und Grenzsetzung – allerdings in einer respektvollen, klaren Weise. Im Mittelpunkt steht die verantwortliche Ansprache der Täter:innen und der Schutz der betroffenen Person.
So läuft die Farsta-Methode ab:
- Erstgespräch mit der betroffenen Person:
Hier wird geklärt, was passiert ist und wer beteiligt ist. Wichtig: Die betroffene Person soll sich verstanden und sicher fühlen. - Einzelgespräche mit den Täter:innen:
Jede beteiligte Person wird einzeln befragt. Die Lehrkraft benennt das Verhalten klar: „Wir wissen, dass du Paul wiederholt geärgert und ausgeschlossen hast. Das ist nicht in Ordnung.“ Danach folgt eine Aufforderung zur Veränderung: „Ich erwarte, dass du dieses Verhalten sofort beendest.“ Gleichzeitig wird eine positive Erwartung formuliert: „Ich bin sicher, dass du das schaffen kannst.“ - Nachgespräch:
Nach etwa einer Woche findet ein weiteres Gespräch statt, um zu prüfen, ob das Verhalten aufgehört hat.
Beispiel aus der Praxis:
Paul, 13 Jahre alt, wird in der Pause regelmäßig von einer Gruppe Jungs beleidigt. Die Lehrerin erfährt davon über einen Mitschüler. Sie spricht zunächst mit Paul, dann einzeln mit den beteiligten Jungs. Sie benennt das Verhalten deutlich – ohne laut zu werden – und macht klar:
„Wir dulden kein Mobbing an dieser Schule. Ich weiß, dass ihr Paul absichtlich ausschließt und verspottet. Das muss sofort aufhören.“
Einige reagieren überrascht, einer zeigt Einsicht. Beim Nachgespräch nach einer Woche ist das Verhalten tatsächlich gestoppt. Paul sagt: „Ich habe endlich wieder Ruhe.“
Die Farsta-Methode funktioniert, weil sie Grenzen klar zieht und Sicherheit schafft – vor allem in akuten oder fortgeschrittenen Fällen.
Wann ist der No Blame Approach besser – und wann die Farsta-Methode?
Beide Methoden sind wissenschaftlich anerkannt und praxiserprobt. Die Entscheidung, welche Methode du wählst, hängt von mehreren Faktoren ab:
💚 Der No Blame Approach ist besser geeignet, wenn …
- das Mobbing frühzeitig erkannt wurde,
- die Kinder eher jünger sind
- die Gruppe grundsätzlich kooperativ ist,
- du die Beziehungsarbeit und Empathieförderung in den Mittelpunkt stellen möchtest,
- du eine pädagogisch-sanfte, aber wirksame Methode suchst.
Hier steht der soziale Lernprozess im Vordergrund – Kinder übernehmen Verantwortung und erleben, dass sie zur Veränderung beitragen können.
🔥 Die Farsta-Methode ist besser geeignet, wenn …
- das Mobbing bereits stark verfestigt ist,
- es sich um eine höhere Klassenstufe handelt
- schnelle Intervention notwendig ist, um das Opfer zu schützen,
- einzelne Täter:innen uneinsichtig oder wiederholt auffällig sind,
- du ein klares Signal brauchst: „Das geht nicht!“
Die Methode zeigt: Pädagog:innen sehen hin, greifen ein und übernehmen Verantwortung. Wichtig vor allem für den Schutz des Opfers.
Haltung entscheidet über Wirkung
Ob du dich für den No Blame Approach oder die Farsta-Methode entscheidest:
Die entscheidende Rolle spielt deine pädagogische Haltung.
Beide Ansätze setzen voraus, dass du achtsam, klar und konsequent agierst.
Wertschätzung, Vertrauen und Schutz sind keine Widersprüche – sie gehören zusammen.
Kinder und Jugendliche spüren, ob jemand sie wirklich ernst nimmt.
Darum ist die Art, wie du eine Methode anwendest, oft wichtiger als welche Methode du wählst.
Fazit: Warum ich dir den No Blame Approach empfehle
Ich habe beide Methoden in Schulen erlebt – mit guten Ergebnissen. Doch wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich dir den No Blame Approach empfehlen. Warum? Weil er auf Beziehung und Verantwortung setzt statt auf Schuld und Strafe. Weil er Empathie stärkt und soziale Kompetenz fördert – beides unverzichtbar in einer Zeit, in der Mobbing längst nicht mehr nur auf dem Schulhof stattfindet, sondern auch im Netz.
In heutiger Zeit, in der die Kommunikation oft anonymer und kälter wird, brauchen Kinder Räume, in denen sie lernen, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Der No Blame Approach schafft genau diese Räume. Er mag mehr Geduld erfordern – aber er bewirkt nachhaltige Veränderung im Klassenklima und stärkt die Gemeinschaft.
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💛 Das Beste wäre natürlich, wenn Mobbing gar nicht erst auftritt. Aber dazu demnächst ein anderer Blogartikel … Beste Grüße von Christa
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